Mona Schulzek | Thomas Feuerstein
SYZYGY
10 May – 21 June, 2025
OPENING 9 May | 6 – 9pm
In Kooperation mit der Galerie Elisabeth & Klaus Thoman präsentiert nouveaux deuxdeux die Duo-Ausstellung SYZYGY von Thomas Feuerstein und Mona Schulzek. Eine zu Deutsch Syzygie tritt bei Voll- oder Neumond auf und bildet die Voraussetzung für Sonnen- oder Mondfinsternisse. Der Begriff stammt aus dem Griechischen und bedeutet „Zusammenfügung“oder „Zweigespann“. Eine besondere Konstellation zweier Künstler*innen also, deren Arbeiten an der Schnittstelle von Naturwissenschaft, Utopie und kollektiver Transformation oszillieren und Zukunftsvisionen erforschen, die in Verbindung mit Technologie, Biologie, Ökologie und spekulativem Wissen entstehen.
Mona Schulzeks Skulpturen Chamber I (2025) und die Serie Dead Matter (2025) setzen eine Fragestellung fort, die bereits in ihrer Arbeit Together we can make God perfect (2020) formuliert wurde: Wie geht die Menschheit mit nicht-menschlichem Leben um – sei es biologischer, technologischer oder außerirdischer Natur? Dieses vermeintlich vom Himmel gefallene außerirdische Objekt, kann aufgrund seiner ‚nicht-künstlerischen Herkunft‘ auf offener Straße bewundert werden. Chamber I besteht aus Titan, Edelstahl, Stahl, Aluminium und Kunststoff und greift – wie die Skulpturen der Serie Dead Matter – auf architektonische undprozesshafte Elemente zurück.
In Dead Matter (vacuum chamber) verarbeitet Schulzek die Überreste einer von ihr errichteten Vakuumarchitektur – ein gescheiterter Versuch, Leere technisch zu fassen. In einer rituellen Geste verbrannte sie das Objekt, verschloss die Asche in einer Glasampulle und setzte sie ins Zentrum der Skulptur: eine Urne, die experimentelles Scheitern, Transformation und symbolische Wiedergeburt bewahrt. Im Gegensatz zum Point Nemo – dem abgelegensten Punkt der Erde, an dem ausgediente Satelliten im sogenannten„Weltraumfriedhof“ versenkt werden – betont Schulzek in dieser kosmisch-terrestrischen Konvergenz die Zirkulation von Materialien, die ihrem Ursprung entrissen wurden. Sie richtet den Blick auf verschwindende Orte und stellt die Frage: Was bleibt, wenn Systeme kollabieren?
Im Zentrum von Organic Matter (pill millipedes) (2025) steht ein Riesenkugler (Sphaerotheriida) –ein seltener Gliederfüßer, der ein wichtiger Nährstoffstabilisator für seinen Lebensraum darstellt, aber nur in bestimmten Ökosystemen überleben kann, die zunehmend durch den Menschenzerstört werden. Die kugelförmige Gestalt des Tiers dient seinem Selbstschutz und verweist auf biologische Morphologien sowie auf kulturelle Vorstellungen von Rückzug und Bewahrung. Der Kugler scheint wie ein biologisches Relikt im Zentrum einer maschinellen Ästhetik – als hätte die Maschine selbst erkannt, dass die Erde in Gefahr ist, und das fragile Wesen zum Symbol ihrer Warnung erklärt. Schulzeks Arbeit verhandelt hier auch die unterschiedlichen Bewertungen und Sichtbarkeiten nicht-menschlicher Intelligenzen – seien es tierische Instinkte oder maschinelles Lernen, die vom Menschen oft romantisiert, fälschlich genutzt oder ignoriert werden. In der Skulptur formt sich eine stille Allianz aus Technologie, Biologie und Erinnerung – als hätte die Maschine vor dem Menschen erkannt, dass das Überleben auf einem sensiblen Planetengemeinsames Handeln erfordert.
Portal A und Portal B (2025) wirken wie futuristische Urnen, die Überreste einer ausgestorbenen Spezies – möglicherweise der Menschheit – mit sich tragen. Ihre glatte, fremdartige Form entzieht sich klaren Zuschreibungen und sie erscheinen als Relikte nicht-menschlicher Zivilisationen, die über außerirdisches Leben und ihre Sichtbarkeit spekulieren. Ihre gegenüberliegende Anordnung evoziert Assoziationen zu Michelangelos Die Erschaffung Adams (1512), in dessen ikonischer Geste der sich beinahe berührenden Hände der Moment der Übergabe von Leben, Bewusstsein oder göttlicher Energie visualisiert wird. Das Skulpturen-Duo erinnert auch an Science-Fiction-Narrative wie Stargate, in denen Wurmlochverbindungen interstellare Reisen und den Kontakt mit fremdem Leben ermöglichen. Die Skulpturen tragen Silizium- und Selenitteile an ihren Spitzen, wobei Silizium auf hochentwickelte technologische Systeme verweist, während Selenit eine mystische, beinahe sakrale Wirkung erzeugt.
Thomas Feuerstein verbindet in seinen Installationen, „molekularen Skulpturen“ und Zeichnungen chemische, biologische und soziale Prozesse zu einem dichten Geflecht aus Materialforschung, Imagination und Gesellschaftsanalyse. In seinem Langzeitprojekt Metabolica, das in Zusammenarbeit mit Mikrobiologinnen der Universität Innsbruck entstand, nutzt er Stoffwechselprozesse von Algen und Bakterien zur Erzeugung biobasierter Kunststoffe – ein paradigmatischer Schritt von der Petrochemie hin zur Biochemie. Die Mikroorganismen fungieren dabei nicht als Material, sondern als aktive Ko-Produzentinnen und markieren einen Perspektivwechsel im Verhältnis zwischen Mensch, Technik und Natur.
Ergänzend zur Skulptur MAGGOT (2024) zeigt die Ausstellung eine Auswahl von 45 Metabolica-Zeichnungen. Diese changieren stilistisch zwischen surrealistischer Illustration, Karikatur und Science-Fiction-Comic der 1960er Jahre, erinnern aber auch an die konstruktivistische und kompositorische Klarheit von Bauhaus Plakaten, die gestalterischen Ausdruck mit gesellschaftlicher Visionen verbinden. Seine Zeichnungen sind mehr als nur Begleitmaterial zu seinen teils enormen Installationen – sie formulieren eine autonome Sprache, in der Skulpturen als sprechende Figuren auftreten. In Sprechblasen wie „Not the artist speaks to the world, art makes the world speak“ spiegelt sich eine Verschiebung der Autor*innenschaft hin zu einer Kunst, die als eigenständiges Medium gesellschaftlicher Artikulation verstanden wird. Feuerstein steht damit in einer Tradition avantgardistischer Bewegungen wie Futurismus, Dadaismus und Surrealismus, die Kunst als transformatorische Kraft zwischen Alltag, Politik und Utopie begreifen. Auch die Idee von Kunst als sozialer Plastik, wie sie Joseph Beuys formulierte,scheint in seinen Arbeiten – wenn auch sicher nicht ohne Augenzwinkern – auf: Die Skulptur wird zum politischen Subjekt, die Zeichnung zum Denkraum für posthumane Ökologie. Diese Denkfiguren konkretisieren sich in den immer wieder auftauchenden industriellen Objekten wie Europaletten, die Feuerstein mit kryptischen Kürzeln versieht – etwa „PHB“, das sowohl für Politics, Humans, Biology stehen kann als auch auf Polyhydroxybutyrat, einen biologisch abbaubaren Kunststoff, verweist. Die Palette – Symbol globaler Warenzirkulation –wird so zum Träger spekulativer Bedeutungen, zum Fragment einer ökologischen Zukunftsarchitektur, in der Leben, Technik und Sprache untrennbar verwoben sind.
Feuersteins Le petit Yves #1 (2025) eröffnet einen neuen fortlaufenden Werkzyklus und zeigt einen eingefärbten Pfeilschwanzkrebs unter einer Acrylglashaube – eine Hommage an Yves Klein, dessen berühmtes Ultramarinblau hier in variierter Form erscheint. Hier wird dasverwendete Pigment nicht rein symbolisch verwendet, sondern als Ausdruck intensiver vorausgegangener Forschungsarbeit. Es basiert auf einem chemischen Verfahren zur Herstellung eines türkisgrünlichen Blaus aus Kieselalgen, die wiederum große Mengen CO2 binden. Damit entsteht eine Verbindung zwischen Kunstgeschichte, ökologischer Verantwortung und Patentrecht: Der Künstler formulierte ab 2024 Patentansprüche für das Pigment, das nicht nurästhetisch, sondern auch klimapolitisch relevant ist. Die Wahl des Pfeilschwanzkrebses – eines Tieres mit echtem blauem Blut auf Kupferbasis – verstärkt den transhumanen und spekulativ-biologischen Gehalt der Arbeit. In der Mythologie steht „blaues Blut“ für Adel, im biologischen Kontext verweist es auf Alternativen zum menschlichen Hämoglobin.
In SYZYGY begegnen sich zwei künstlerische Positionen, die die Grenzen des Wissens, Bedingungen des Lebens aller Lebewesen und die Bedeutungen von Materie in spekulativen Zukunftsentwürfen auf individuelle Weise beleuchten. Während in Feuersteins installativen Versuchsanordnungen Algen und Bakterien zu Agenten neuer ästhetischer Transformation werden, richten Schulzeks Maschinen das Gewissen auf fragile ökologische Koexistenzen, deren Gleichgewicht durch kleinste Verschiebungen zu kippen droht. Feuersteins Arbeiten erzeugen metabolische Ökosysteme, in denen Technik, Sprache und Leben unauflöslich miteinander verwoben sind. Seine Installationen und Skulpturen machen biochemische Prozesse sichtbar, die er gemeinsam mit Forscher*innen entwickelt – etwa um umweltneutrale Farben herzustellen oder die Intelligenz von Mikroorganismen für neue ästhetische Ökologien zu nutzen. Seine Zeichnungen rufen zur Mobilisierung künstlerischer und aktivistischer Agent*innen auf, legen seine Überzeugungen einerseits offen, eröffnen aber zugleich ein bedeutungsoffenes Spielfeld unzähliger Konnotationen zwischen Kunst, Wissenschaft und gesellschaftlicher Imagination.
Schulzeks Skulpturen hingegen wirken zunächst kühl und abweisend, entfalten aber eine leise Sprache der Verletzlichkeit. Der Riesenkugler, den sie ins Zentrum ihrer Arbeit stellt, ist ein Wesen symbiotischer Abhängigkeit – sein Überleben hängt von einem komplexen mikrobiellen Gleichgewicht ab, das sich nicht technisch reproduzieren lässt. Ihre Werke antworten mit einer Präsenz, die sich jeder Eindeutigkeit entzieht und gerade in ihrer Vieldeutigkeit unzählige Potentiale entfaltet.
Im Ausstellungsraum treten beide Positionen in einen stillen, aber vielstimmigen Dialog.
nouveaux deuxdeux zeigt sie nicht als Gegensatz, sondern als ein dynamisches Gewebe aus Resonanzen. Hier treffen biologische Interdependenz und mikrobiologische Stoffumwandlung, spekulatives Denken und präzise Forschung, Ambiguität und Gestaltungskraft aufeinander. Beide Künstler*innen stehen für eine Praxis, die Ambivalenzen nicht scheut, sondern sie als produktive Grundlage von Denkprozessen und Erkenntnissen begreift. In einer Zeit, die von
vereinfachenden Erzählungen und populistischen Zuschreibungen geprägt ist, heben sie Vieldeutigkeit als zentrale Ressource hervor – und erinnern daran, dass Zukunft nicht in binären Kategorien entsteht, sondern im offenen, lebendigen Zwischenraum.
– Text von Teresa Retzer
Mona Schulzeks Skulpturen Chamber I (2025) und die Serie Dead Matter (2025) setzen eine Fragestellung fort, die bereits in ihrer Arbeit Together we can make God perfect (2020) formuliert wurde: Wie geht die Menschheit mit nicht-menschlichem Leben um – sei es biologischer, technologischer oder außerirdischer Natur? Dieses vermeintlich vom Himmel gefallene außerirdische Objekt, kann aufgrund seiner ‚nicht-künstlerischen Herkunft‘ auf offener Straße bewundert werden. Chamber I besteht aus Titan, Edelstahl, Stahl, Aluminium und Kunststoff und greift – wie die Skulpturen der Serie Dead Matter – auf architektonische undprozesshafte Elemente zurück.
In Dead Matter (vacuum chamber) verarbeitet Schulzek die Überreste einer von ihr errichteten Vakuumarchitektur – ein gescheiterter Versuch, Leere technisch zu fassen. In einer rituellen Geste verbrannte sie das Objekt, verschloss die Asche in einer Glasampulle und setzte sie ins Zentrum der Skulptur: eine Urne, die experimentelles Scheitern, Transformation und symbolische Wiedergeburt bewahrt. Im Gegensatz zum Point Nemo – dem abgelegensten Punkt der Erde, an dem ausgediente Satelliten im sogenannten„Weltraumfriedhof“ versenkt werden – betont Schulzek in dieser kosmisch-terrestrischen Konvergenz die Zirkulation von Materialien, die ihrem Ursprung entrissen wurden. Sie richtet den Blick auf verschwindende Orte und stellt die Frage: Was bleibt, wenn Systeme kollabieren?
Im Zentrum von Organic Matter (pill millipedes) (2025) steht ein Riesenkugler (Sphaerotheriida) –ein seltener Gliederfüßer, der ein wichtiger Nährstoffstabilisator für seinen Lebensraum darstellt, aber nur in bestimmten Ökosystemen überleben kann, die zunehmend durch den Menschenzerstört werden. Die kugelförmige Gestalt des Tiers dient seinem Selbstschutz und verweist auf biologische Morphologien sowie auf kulturelle Vorstellungen von Rückzug und Bewahrung. Der Kugler scheint wie ein biologisches Relikt im Zentrum einer maschinellen Ästhetik – als hätte die Maschine selbst erkannt, dass die Erde in Gefahr ist, und das fragile Wesen zum Symbol ihrer Warnung erklärt. Schulzeks Arbeit verhandelt hier auch die unterschiedlichen Bewertungen und Sichtbarkeiten nicht-menschlicher Intelligenzen – seien es tierische Instinkte oder maschinelles Lernen, die vom Menschen oft romantisiert, fälschlich genutzt oder ignoriert werden. In der Skulptur formt sich eine stille Allianz aus Technologie, Biologie und Erinnerung – als hätte die Maschine vor dem Menschen erkannt, dass das Überleben auf einem sensiblen Planetengemeinsames Handeln erfordert.
Portal A und Portal B (2025) wirken wie futuristische Urnen, die Überreste einer ausgestorbenen Spezies – möglicherweise der Menschheit – mit sich tragen. Ihre glatte, fremdartige Form entzieht sich klaren Zuschreibungen und sie erscheinen als Relikte nicht-menschlicher Zivilisationen, die über außerirdisches Leben und ihre Sichtbarkeit spekulieren. Ihre gegenüberliegende Anordnung evoziert Assoziationen zu Michelangelos Die Erschaffung Adams (1512), in dessen ikonischer Geste der sich beinahe berührenden Hände der Moment der Übergabe von Leben, Bewusstsein oder göttlicher Energie visualisiert wird. Das Skulpturen-Duo erinnert auch an Science-Fiction-Narrative wie Stargate, in denen Wurmlochverbindungen interstellare Reisen und den Kontakt mit fremdem Leben ermöglichen. Die Skulpturen tragen Silizium- und Selenitteile an ihren Spitzen, wobei Silizium auf hochentwickelte technologische Systeme verweist, während Selenit eine mystische, beinahe sakrale Wirkung erzeugt.
Thomas Feuerstein verbindet in seinen Installationen, „molekularen Skulpturen“ und Zeichnungen chemische, biologische und soziale Prozesse zu einem dichten Geflecht aus Materialforschung, Imagination und Gesellschaftsanalyse. In seinem Langzeitprojekt Metabolica, das in Zusammenarbeit mit Mikrobiologinnen der Universität Innsbruck entstand, nutzt er Stoffwechselprozesse von Algen und Bakterien zur Erzeugung biobasierter Kunststoffe – ein paradigmatischer Schritt von der Petrochemie hin zur Biochemie. Die Mikroorganismen fungieren dabei nicht als Material, sondern als aktive Ko-Produzentinnen und markieren einen Perspektivwechsel im Verhältnis zwischen Mensch, Technik und Natur.
Ergänzend zur Skulptur MAGGOT (2024) zeigt die Ausstellung eine Auswahl von 45 Metabolica-Zeichnungen. Diese changieren stilistisch zwischen surrealistischer Illustration, Karikatur und Science-Fiction-Comic der 1960er Jahre, erinnern aber auch an die konstruktivistische und kompositorische Klarheit von Bauhaus Plakaten, die gestalterischen Ausdruck mit gesellschaftlicher Visionen verbinden. Seine Zeichnungen sind mehr als nur Begleitmaterial zu seinen teils enormen Installationen – sie formulieren eine autonome Sprache, in der Skulpturen als sprechende Figuren auftreten. In Sprechblasen wie „Not the artist speaks to the world, art makes the world speak“ spiegelt sich eine Verschiebung der Autor*innenschaft hin zu einer Kunst, die als eigenständiges Medium gesellschaftlicher Artikulation verstanden wird. Feuerstein steht damit in einer Tradition avantgardistischer Bewegungen wie Futurismus, Dadaismus und Surrealismus, die Kunst als transformatorische Kraft zwischen Alltag, Politik und Utopie begreifen. Auch die Idee von Kunst als sozialer Plastik, wie sie Joseph Beuys formulierte,scheint in seinen Arbeiten – wenn auch sicher nicht ohne Augenzwinkern – auf: Die Skulptur wird zum politischen Subjekt, die Zeichnung zum Denkraum für posthumane Ökologie. Diese Denkfiguren konkretisieren sich in den immer wieder auftauchenden industriellen Objekten wie Europaletten, die Feuerstein mit kryptischen Kürzeln versieht – etwa „PHB“, das sowohl für Politics, Humans, Biology stehen kann als auch auf Polyhydroxybutyrat, einen biologisch abbaubaren Kunststoff, verweist. Die Palette – Symbol globaler Warenzirkulation –wird so zum Träger spekulativer Bedeutungen, zum Fragment einer ökologischen Zukunftsarchitektur, in der Leben, Technik und Sprache untrennbar verwoben sind.
Feuersteins Le petit Yves #1 (2025) eröffnet einen neuen fortlaufenden Werkzyklus und zeigt einen eingefärbten Pfeilschwanzkrebs unter einer Acrylglashaube – eine Hommage an Yves Klein, dessen berühmtes Ultramarinblau hier in variierter Form erscheint. Hier wird dasverwendete Pigment nicht rein symbolisch verwendet, sondern als Ausdruck intensiver vorausgegangener Forschungsarbeit. Es basiert auf einem chemischen Verfahren zur Herstellung eines türkisgrünlichen Blaus aus Kieselalgen, die wiederum große Mengen CO2 binden. Damit entsteht eine Verbindung zwischen Kunstgeschichte, ökologischer Verantwortung und Patentrecht: Der Künstler formulierte ab 2024 Patentansprüche für das Pigment, das nicht nurästhetisch, sondern auch klimapolitisch relevant ist. Die Wahl des Pfeilschwanzkrebses – eines Tieres mit echtem blauem Blut auf Kupferbasis – verstärkt den transhumanen und spekulativ-biologischen Gehalt der Arbeit. In der Mythologie steht „blaues Blut“ für Adel, im biologischen Kontext verweist es auf Alternativen zum menschlichen Hämoglobin.
In SYZYGY begegnen sich zwei künstlerische Positionen, die die Grenzen des Wissens, Bedingungen des Lebens aller Lebewesen und die Bedeutungen von Materie in spekulativen Zukunftsentwürfen auf individuelle Weise beleuchten. Während in Feuersteins installativen Versuchsanordnungen Algen und Bakterien zu Agenten neuer ästhetischer Transformation werden, richten Schulzeks Maschinen das Gewissen auf fragile ökologische Koexistenzen, deren Gleichgewicht durch kleinste Verschiebungen zu kippen droht. Feuersteins Arbeiten erzeugen metabolische Ökosysteme, in denen Technik, Sprache und Leben unauflöslich miteinander verwoben sind. Seine Installationen und Skulpturen machen biochemische Prozesse sichtbar, die er gemeinsam mit Forscher*innen entwickelt – etwa um umweltneutrale Farben herzustellen oder die Intelligenz von Mikroorganismen für neue ästhetische Ökologien zu nutzen. Seine Zeichnungen rufen zur Mobilisierung künstlerischer und aktivistischer Agent*innen auf, legen seine Überzeugungen einerseits offen, eröffnen aber zugleich ein bedeutungsoffenes Spielfeld unzähliger Konnotationen zwischen Kunst, Wissenschaft und gesellschaftlicher Imagination.
Schulzeks Skulpturen hingegen wirken zunächst kühl und abweisend, entfalten aber eine leise Sprache der Verletzlichkeit. Der Riesenkugler, den sie ins Zentrum ihrer Arbeit stellt, ist ein Wesen symbiotischer Abhängigkeit – sein Überleben hängt von einem komplexen mikrobiellen Gleichgewicht ab, das sich nicht technisch reproduzieren lässt. Ihre Werke antworten mit einer Präsenz, die sich jeder Eindeutigkeit entzieht und gerade in ihrer Vieldeutigkeit unzählige Potentiale entfaltet.
Im Ausstellungsraum treten beide Positionen in einen stillen, aber vielstimmigen Dialog.
nouveaux deuxdeux zeigt sie nicht als Gegensatz, sondern als ein dynamisches Gewebe aus Resonanzen. Hier treffen biologische Interdependenz und mikrobiologische Stoffumwandlung, spekulatives Denken und präzise Forschung, Ambiguität und Gestaltungskraft aufeinander. Beide Künstler*innen stehen für eine Praxis, die Ambivalenzen nicht scheut, sondern sie als produktive Grundlage von Denkprozessen und Erkenntnissen begreift. In einer Zeit, die von
vereinfachenden Erzählungen und populistischen Zuschreibungen geprägt ist, heben sie Vieldeutigkeit als zentrale Ressource hervor – und erinnern daran, dass Zukunft nicht in binären Kategorien entsteht, sondern im offenen, lebendigen Zwischenraum.
– Text von Teresa Retzer